Ob in Biologie, Chemie oder Bioinformatik – Forschung entwickelt sich rasch. Für Lehrkräfte, die am Puls der Zeit unterrichten möchten, bietet das MDC spezielle Fortbildungen: „Labor trifft Lehrer“ ist digital oder analog. Luiza Bengtsson und Zoe Ingram sagen, warum es sich für Lehrer*innen, Schüler*innen und Forscher*innen lohnt.
Das Zeugnis, das die Lehrkräfte den Fortbildungsveranstaltungen „Labor trifft Lehrer“ ausstellen, lässt nichts zu wünschen übrig. Im Schuljahr 2019/2020 haben die Teilnehmer*innen die Kurse am MDC mit der Durchschnittsnote 1,3 bewertet; 92 Prozent geben an, dass sie den Kurs weiterempfehlen würden. Die meisten von ihnen unterrichten Biologie und Chemie in der Sekundarstufe II. Zur Fortbildung gehören neben den Kursen Unterrichtsmaterialien in Form von Filmen, Vorträgen, Übungen und Concept-Postern, die auf der MDC-Website zum Download bereitstehen.
Das Labor-trifft-Lehrer-Team am MDC (v.l.n.r.): Zoe Ingram, Luiza Bengtsson und Micela Condor Jonske.
© Valentin Popescu, MDC
Dr. Luiza Bengtsson hat das Format entwickelt und setzt es federführend als wissenschaftliche Leiterin um. Zoe Ingram koordiniert und begleitet die Veranstaltungen. Zum Team gehört außerdem die studentische Hilfskraft Micela Condor Jonske.
Seit wann und warum gibt es „Labor trifft Lehrer“?
Luiza Bengtsson: Das MDC engagiert sich schon seit fast 20 Jahren in der Schülerarbeit. Auf dem Campus Buch betreiben wir gemeinsam mit vielen Partnern das „Gläserne Labor“, in dem Schulkinder und Jugendliche experimentieren und forschen können. 2011 fing ich in der Kommunikationsabteilung an mit dem Auftrag, zusätzlich ein Fortbildungskonzept für Lehrkräfte zu entwickeln, und 2012 haben wir dann mit „Labor trifft Lehrer“ angefangen. Es gehört zum Selbstverständnis des MDC, dass wir unsere Forschung transparent, verständlich und nutzbar für die Gesellschaft machen. Denn darum geht es beim Wissenstransfer – von der Forschung in die Gesellschaft. Die gesamte Helmholtz-Gemeinschaft, zu der das MDC gehört, hat sich dieses Ziel auf die Fahnen geschrieben.
Wie findet Ihr Themen und Wissenschaftler*innen für die Kurse?
Luiza Bengtsson: Wir machen eine Art Scouting, um zu schauen, welche MDC-Themen sich gut mit den Rahmenlehrplänen decken. Denn die Lehrerinnen und Lehrer sollen sie im Unterricht anwenden können. Dann fragen wir in den Forschungsgruppen an, ob sie mitmachen wollen. Das Schöne ist: Die Wissenschaftler*innen sagen eigentlich immer ja. In manchen Arbeitsgruppen widmet sich sogar das gesamte Team den ganzen Tag lang den Besucher*innen aus den Schulen.
Was haben die Wissenschaftler*innen davon?
Zoe Ingram: Diese Kurse sind eine sehr gute Möglichkeit für die Forschenden, ihre Wissenschaft mit der Öffentlichkeit zu teilen. Wissenschaftskommunikation gehört zu ihrem Beruf dazu. Es macht ihnen auch Spaß: Die Lehrkräfte sind ein sehr interessiertes und dankbares Publikum. Ich würde sagen, beide Seiten wissen die Kurse sehr zu schätzen.
Hat die Pandemie den Wissenstransfer unterbrochen?
Luiza Bengtsson: Nein, sie hat ihn allerdings sehr verändert. „Labor trifft Lehrer“ – das sind normalerweise Präsenzveranstaltungen, bei denen Lehrkräfte einen Tag lang Wissenschaftler*innen im Labor besuchen und dort mit ihnen arbeiten. Das Ganze organisieren wir etwa acht Mal im Jahr. Seit September 2020 bieten wir „Labor trifft Lehrer“-Fortbildungen einmal im Monat als virtuelle Veranstaltung an. Dabei halten MDC-Forschende einen 90-minütigen Vortrag zu einem bestimmten Thema.
Wie kommen die Online-Vorträge bei den Lehrkräften an?
Zoe Ingram: Sehr gut. Auf den Evaluationsbögen lesen wir ganz oft: „Bitte macht das weiter, das ist so toll.“ Die Online-Veranstaltungen haben – im Gegensatz zu den Kursen im Labor – den Vorteil, dass auch Lehrkräfte von weiter weg oder sogar aus dem Ausland teilnehmen können. Das freut uns natürlich sehr.
Luiza Bengtsson: Das Gros der Teilnehmer*innen bei den Präsenzveranstaltungen kommt aus Berlin und Brandenburg. Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und das Brandenburger Bildungsministerium erkennen die Kurse als Fortbildungen an. Das heißt, die Lehrkräfte müssen das nicht in ihrer Freizeit – also nebenbei – machen. Aber es waren auch schon Lehrerinnen und Lehrer aus Niedersachsen oder Bayern bei uns im Labor.
Wie viele Lehrkräfte nehmen jeweils teil?
Luiza Bengtsson: Bei unserer allerersten Veranstaltung im Labor hatten wir 25 Teilnehmer*innen. Das war aber zu viel des Guten – man darf nicht vergessen, dass in den Laboren ja auch noch gearbeitet wird. Und auch aus Sicht der Besucher*innen war die Gruppe zu groß. Aus dieser Erfahrung haben wir gelernt: Eine gute Anzahl ist acht. In die Online-Kurse kommen zwischen 15 und 75 Teilnehmer*innen – da ist nach oben eigentlich keine Grenze gesetzt.
Wird es nach der Pandemie neben den Laborbesuchen weiterhin virtuelle Kurse geben – so wie sich die Teilnehmer*innen das wünschen?
Zoe Ingram: Das haben wir vor. Die Formate vermitteln ganz unterschiedliche Sachen: Die Online-Vorträge bieten 90 Minuten geballtes Wissen. Wie die Face-to-Face-Veranstaltungen wecken die Online-Angebote die Begeisterung der Lehrkräfte, aber im Labor bieten wir noch stärker einen unmittelbaren Einblick in den Forschungsalltag. Viele sagen am Ende des Tages, dass sie jetzt wieder wissen, warum sie Chemie oder Biologie studiert haben.
Luiza, Du hast als Wissenschaftlerin gearbeitet. Was hat dich dazu bewogen, in die Kommunikation zu wechseln?
Luiza Bengtsson: Ich habe Chemie, Ost-und Zentraleuropakunde und Gender Studies an der Lunds Universitet in Schweden studiert, an der Freien Universität Berlin in der Biochemie promoviert und dann einige Jahre in den USA an der Johns Hopkins School of Medicine geforscht. Als Postdoc bin ich an die FU zurückgekehrt. 2007 bin ich dann ans MDC in die Arbeitsgruppe von Thomas Jentsch gewechselt. Ich habe das wissenschaftliche Arbeiten sehr genossen. Aber ich habe es noch mehr genossen, die Wissenschaft anderen zu vermitteln. Schon während der Promotion habe ich viel Lehre gemacht. Immer wenn es darum ging, eine Laborführung zu organisieren, einen populärwissenschaftlichen Vortrag zu halten oder Studierende zu betreuen, habe ich meine Hand gehoben. Der Wechsel in die Wissenschaftskommunikation war der logische nächste Schritt.
Vermisst Du das wissenschaftliche Arbeiten?
Luiza Bengtsson: Ich habe nie damit aufgehört. Um gute Fortbildungen zu konzipieren, muss man sich mit dem Thema – egal welchem –, den Methoden und Erfahrungswelten der Lehrenden wie der Teilnehmenden auseinandersetzen. Ohne eine wissenschaftliche Herangehensweise funktioniert das nicht so gut. Außerdem hat der Aufbau des „Labor trifft Lehrer“-Programms mich näher zu meinen interdisziplinären Wurzeln und der Welt des Public Engagement gebracht. So experimentiere ich gerade mit verschiedenen Formen des Dialogs zwischen Wissenschaft und Gesellschaft im Rahmen eines europäischen Projekts zu Open Science und arbeite an einem Weißbuch zu Citizen Science in Deutschland mit.
Und Du, Zoe? Wie bist du zum MDC gekommen?
Zoe Ingram: Ich habe Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der Humboldt-Universität Berlin studiert. Luiza habe ich in einem Seminar kennengelernt. Sie suchte nach einer Partnerin für die Evaluation von „Labor trifft Lehrer“. Ich war sofort dabei. Dann habe ich mein Praktikum hier gemacht und bin im Masterstudium noch einmal ans MDC zurückgekehrt, um im ORION Open Science Projekt zu arbeiten. Dort habe ich auch meine Masterarbeit geschrieben.
Was gefällt Dir an Deiner Arbeit hier besonders gut?
Zoe Ingram: Die Lehrkräfte sind oft sehr begeistert. Ich auch! Ich hatte einmal das Glück, bei einem Workshop dabei zu sein, bei dem wir den Querschnitt eines Nervs, feiner als ein Haar, unter dem Elektronenmikroskop vergrößert haben. Zu sehen, wie viel Information in so etwas Winzigem steckt – das hat mich völlig umgehauen. Und ich war nicht die Einzige, den Lehrer*innen ging es genauso. Es ist wichtig, dass sie dieses Staunen, diese Begeisterung, diese Neugier behalten und an ihre Schüler*innen weitergeben; dass sie ihnen Mut machen, etwas in der Richtung zu studieren, wenn es sie interessiert. Ich bin in Hawaii aufgewachsen. Ich glaube, meine Biologielehrerin hat nie ein Labor von innen gesehen. Meine Vorstellung von Biologie beschränkte sich auf ein paar Meerestiere. Es ging nie darum, wie Wissen geschaffen wird. Die Lehrkräfte haben in den „Labor trifft Lehrer“-Kursen die einmalige Möglichkeit, in eine Arbeitsgruppe integriert zu werden, den Forschungsalltag zu sehen und zu erfahren. Diese Erfahrung geben sie gewiss an ihre Schüler*innen weiter.
Die Fragen stellte Jana Ehrhardt-Joswig.
Quelle: PM des MDC vom 17. 02. 2021
Labor trifft Lehrer