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Lösungen für die Pandemiebewältigung
Um die Corona-Pandemie zu bewältigen, brauchen wir Lösungen, die weit über die Gesundheitsforschung hinausgehen. Deutlich geworden sind die Belastungsgrenzen unserer kritischen Infrastrukturen und Abhängigkeiten bei globalen Lieferketten. Seit Januar 2020 erforschen Helmholtz-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ausbreitung des Coronavirus und arbeiten an Wirkstoffen und Medikamenten gegen COVID-19. Mit der Helmholtz-weiten Kampagne „Die Corona-Pandemie: Erkenntnis, Bewältigung, Prävention“ geht Helmholtz jetzt den nächsten Schritt: In interdisziplinären Verbundprojekten entwerfen Expert*innen aus allen sechs Helmholtz-Forschungsbereichen ganzheitliche Lösungsansätze zur Pandemiebewältigung.
Modellsystem für künftige Pandemien
Mit den Arbeitsgruppen von Dr. Kathrin de la Rosa und Professor Markus Landthaler ist das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) am Projekt „Virologische und immunologische Determinanten der COVID-19-Pathogenese – Lehren für die Vorbereitung auf zukünftige Pandemien (CoViPa)“ beteiligt. In dem Projekt arbeiten Forscherinnen und Forscher aus sieben Helmholtz-Zentren mit Universitäten und Partnern aus der Wirtschaft zusammen. Gemeinsam wollen sie unter anderem die Mechanismen des Erkrankungsprozesses untersuchen, gezielte Strategien gegen das Virus finden und die Risiken analysieren, dass weitere Erreger den Sprung vom Tier auf den Menschen schaffen.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft (DKFZ) koordiniert das Projekt. „Wir betrachten SARS-CoV-2 als Modellsystem für zukünftige Pandemien, die von ähnlichen Erregern verursacht werden. Anhand dessen wollen wir mittels immunologischer und virologischer Analysen Einsichten in die Erkrankungsmechanismen gewinnen, um präventive Maßnahmen zu entwickeln. Gleichzeitig werden wir Robotik und Hochdurchsatz-Datenanalysen nutzen, um in Zukunft bei pandemischen Ausbrüchen besser vorbereitet zu sein bzw. das Risiko einer Pandemie besser abschätzen zu können“, sagt Professor Ralf Bartenschlager vom DKFZ. Er und die Virologin Professorin Ulrike Protzer vom Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (HMGU) sind die wissenschaftlichen Sprecher von CoViPa.
Mit Robotern und KI gegen Viren
„Uns interessiert besonders, warum manche Menschen nach einer COVID-19-Erkrankung oder einer Impfung gegen das Virus weniger schützende Antikörper ausbilden“, sagt die MDC-Forscherin Kathrin de la Rosa. „Wir wollen diese Mechanismen verstehen, um neue Wege zu finden, eine noch effizientere und eventuell länger anhaltende Impfantwort zu erzielen.“ Das Team arbeitet dabei mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen und wird gemeinsam mit Dr. Daniel Leidner vom DLR in Weßling bei München und Professorin Hedda Wardemann vom DKFZ in Heidelberg intelligente Robotersysteme entwickeln. Sollte es in Zukunft eine Pandemie mit noch gefährlicheren Viren geben, könnte man sie dann dank der Kombination immunologischer Assays mit Robotertechnik und künstlicher Intelligenz dennoch erforschen.
Darüber hinaus werden der MDC-Forscher Markus Landthaler und sein Kollege Professor Luka Cicin-Sain vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig analysieren, welche Gene, die Zellen des Immunsystems regulieren, bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 und der überschießenden Immunreaktion bei COVID-19 eine Rolle spielen. „Dafür werden wir modernste Sequenzierverfahren und Analysemethoden einsetzen. So können wir die Veränderungen einzelner Zellen des Immunsystems, des Lungengewebes und Blutgefäßen untersuchen“, sagt Markus Landthaler. Außerdem wollen sie Wirkstoffe identifizieren, die die Entzündungsreaktion im Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion unterbinden.
Das zweite Projekt „Luftgetragene Übertragung des SARS-Coronavirus – von der Grundlagenforschung zu effizienten Luftreinigungssystemen (CORAERO)“ konzentriert sich auf die Erforschung und Verhinderung der Virenübertragung durch Aerosole und Tröpfchen. Fachleute aus Medizin, Biologie, Physik, Chemie, Material-, Ingenieurs- und Sozialwissenschaften entwickeln gemeinsam Technologien, um die Virenausbreitung zu stoppen. In Schulen, Unternehmen, im Personennahverkehr und an öffentlichen Orten eingesetzt, könnten so in Zukunft drastische Maßnahmen wie Schulschließungen verhindert werden.
Praktische Anwendung von Beginn an einbeziehen
Die Helmholtz-weite Kampagne wird aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds finanziert. „Wir bündeln die ganze Stärke unserer Forschung, um Pandemien und analoge Herausforderungen wie die aktuelle Corona-Pandemie besser verstehen, überwinden und in Zukunft auch verhindern zu können“, sagt Helmholtz-Präsident Professor Otmar D. Wiestler. „Unser Ziel ist herauszufinden, wie wir uns als Gesellschaft für solche Ausnahmesituationen wappnen können. Das geht nur mit interdisziplinären, strategisch ausgerichteten Ansätzen, die praktische Anwendungen von Beginn an mit einbeziehen.“
Ein Kernelement der Verbundprojekte ist ein integriertes Transferkonzept: Gesellschaftliche Akteure werden von Beginn an in die Entwicklung von lösungsorientierten Fragestellungen und in die Umsetzung des Forschungsprojekts eingebunden. Ein interdisziplinär besetztes Panel mit Fachleuten aus der Virologie, den Natur- und Ingenieurswissenschaften, dem Innovationsmanagement und der Wirtschaft hat die beiden Projekte CoViPa und CORAERO aus insgesamt elf Vorschlägen zur Förderung ausgewählt.
Quelle: PM des MDC vom 30. April 2021