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“Alle wollen nach Berlin”
Von Karin Lauschke, Laborjournal Online
Ungefähr 20 km vom Zentrum Berlins entfernt, liegt am nordöstlichen Rand der Stadt der Biotech-Campus Berlin-Buch. Ein besonderer Ort. Denn wegen seiner Lage zogen bereits vor über 100 Jahren Krankenhäuser und Genesungsheime hierher. „Berlin-Buch ist ein Gesundheitsstandort mit einer 100-jährigen Geschichte, und seit den 1930er Jahren auch Wissenschaftsstandort,“ erzählt uns die Geschäftsführerin der Betreiberfirma Campus Berlin-Buch GmbH Christina Quensel. „Damals siedelte sich das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung an, dessen Direktor auch Direktor der Irrenanstalt, wie das damals hieß, war. Das war der Beginn der translationalen Forschung, wie wir heute sagen“, beschreibt Quensel. „Die Verbindung zwischen Klinik und Forschung hat hier wirklich eine ganz lange Tradition, worauf der ganze Campus eben auch aufbaut“, erklärt sie uns.
Heute sind auf dem Forschungscampus sowohl angewandte als auch Grundlagenforschung vertreten, genannt seien das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), das Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und verschiedene Departments der Charité sowie das Berliner Institut für Gesundheitsforschung. Oben drauf kommt noch der Biotechnologie-Park, der vor 30 Jahren hochgezogen wurde, und heute über 60 Firmen beherbergt.
In den 90er Jahren siedelten sich hier Firmen an, die sich aus der Akademie der Wissenschaften der DDR ausgründeten und in der neuen Bundesrepublik ihren Platz finden mussten. Zur gleichen Zeit wurde auch die heutige Campus Berlin-Buch GmbH gegründet, als Betreiberin und Errichterin der Gebäude. „Wie in anderen Technologieparks auch, errichten wir Gebäude mit Hilfe von Fördermitteln und vermieten sie dann günstig an die Firmen“, so Geschäftsführerin Quensel. Außerdem kümmert sich die promovierte Biotechnologin mit einem kleinen Team um alles, was die Firmen brauchen. „Mittlerweile haben wir 62 Firmen im Biotech-Park, die größte ist die Eckert & Ziegler AG, die inzwischen auch ihr eigenes Gebäude hat. Sie war eine Ausgründung aus der Akademie der Wissenschaften der DDR, und ist ein Beispiel dafür, wie wir es uns für andere Firmen hier vorstellen, dass sie wachsen und irgendwann ihre eigenen Gebäude haben.“
Unter den 62 Firmen sind, wenig überraschend, viele Ausgründungen aus dem MDC und der Charité. Aber auch viele internationale Firmen kommen auf den Campus, weil sie dessen Fokus auf Biomedizin sehr schätzen. Langsam wird’s aber eng. „Momentan haben wir keine freie Laborfläche, wir sind komplett voll und brauchen mehr Platz, um neue Gründer aufzunehmen. Deshalb werden wir im nächsten Jahr anfangen, ein neues Gründerzentrum zu errichten, mit über 8.000 Quadratmetern Labor- und Bürofläche“, so Quensel. „Den Bauantrag haben wir gerade gestellt und schon im nächsten Jahr soll es losgehen. Der Einzug für die ersten Firmen ist Ende 2022 geplant.“
Ein Paradies für Biotech-Firmen
Wer sich einmal angesiedelt hat, darf auch bleiben. Biotech-Firmen können im Technologiepark Labore mit Lüftungsanlagen, Kälteanlagen und Sicherheitsstufen sogar bis S3 anmieten. Außerdem stehen auf dem Campus modernste Technologie-Plattformen für Genomik, Proteomik und Metabolomik sowie Ultra-Hochfeld-Magnetresonanztomografie, Advanced Light Microscopy, NMR-Spektroskopie und eine Screening-Unit für die Wirkstoffsuche inklusive Medizinalchemie zur Verfügung, mit denen kooperiert werden kann. Ein anderer Pluspunkt ist natürlich die Synergie. Der enge Kontakt fördert die Zusammenarbeit zwischen Firmen und Forschungseinrichtungen, und auch den regen Austausch zwischen den Firmen. Quensel: „Man trifft sich auf dem Weg zur Mensa oder draußen, wenn etwa im Sommer Besprechungen auch mal außerhalb der Labore stattfinden.“
Das Team um Quensel bietet den Firmen nicht nur Gebäude und Infrastruktur, sie dürfen auch die Netzwerke der Campus GmbH nutzen, wie z.B. Beratung zur Fördermittel-Einwerbung. Außerdem betont die Geschäftsführerin, dass Berlin einfach ein unschlagbar guter Standort ist: „Alle wollen nach Berlin.“ Man dürfe nicht vergessen, dass Berlin die größte Universitätsstadt Deutschlands ist – mit drei Universitäten. „Internationale Firmen, die nach Europa wollen, denken oft zuerst an Berlin. Wir haben zum Beispiel argentinische Gründer und welche aus Ungarn, zwei gute Beispiele für junge Firmen, die nach Berlin gekommen sind“, berichtet sie.
Gründen auch ohne Erfahrung
Auch das jüngste Unternehmen auf dem Campus, die T-knife GmbH, möchte von den guten Berliner Biotech-Bedingungen profitieren. Geschäftsführerin Elisa Kieback erinnert sich für uns an ihre Gründungszeit vor ein paar Jahren: „Es gibt in Berlin eine sehr gute Start-up-Szene und auch viele Förderprogramme für Biotech-Ausgründungen und Start-ups. Wenn man wie ich eine akademische Gründerin ist, die keine Biotech-Erfahrung hat, gibt es einfach unglaublich viele Dinge, die man nicht wissen kann. Am besten ist es, sich mit ganz vielen Leuten zu unterhalten, die mehr Erfahrung haben. Ich wusste zum Beispiel am Anfang nicht, welches Budget man braucht, um eine Biotech-Firma zu betreiben. Wie erstellt man einen Budgetplan, welche Kosten können da überhaupt auf einen zukommen.“
T-knife, eine Ausgründung aus dem MDC, entwickelt eine T-Zell-Therapie gegen Krebs. „Wir verändern die T-Zellen bei uns in einem Reinraumlabor, indem wir sie mit einem viralen Vektor infizieren, der Gene für einen speziellen T-Zell-Rezeptor trägt“, erklärt die Gründerin. Dieser spezifische Rezeptor erkennt nur die Tumorzellen und nicht die gesunden Körperzellen. „Es ist eine individuelle Therapie, jedem Patienten wird Blut entnommen und daraus die T-Zellen isoliert, die dann später gentechnisch verändert und dem Patienten wieder zurückgegeben werden“, so Kieback.
Sie selbst hat dazu die Forschungsgrundlagen in ihrer Doktoranden- und Postdoc-Zeit gelegt, und mit ihrem damaligen Chef die T-knife GmbH im Jahr 2015 gegründet. „Es war sehr naheliegend, uns auf dem Campus anzusiedeln. Wir wollten weiterhin die räumliche Nähe zum MDC, da das Institut uns eben auch sehr unterstützt hat in der Gründungsphase. Und die Infrastruktur, die auf dem Campus vorhanden ist, durch das Campus-Management einerseits und die akademischen Einrichtungen andererseits.“
Das Start-up nutzt etwa die Core Facilities oder Labore aus dem MDC, wie auch dessen Versuchstierhaltung. Und von der Campus Berlin-Buch GmbH mieten sie die Labore, dabei sind vor allem die wichtig, in denen sie die gentechnischen Arbeiten durchführen können. Und sie brauchen immer mehr Platz, denn im Januar 2020 startet T-knife mit ihrer ersten klinischen Studie. „Wir haben gerade expandiert auf insgesamt 400 Quadratmeter Büro- und Laborraum, in die wir jetzt im November einziehen werden. Wir siedeln uns ja gerade erst groß an und haben auf jeden Fall vor, die Forschung hier in den nächsten Jahren noch zu expandieren.“
(Vielen Dank, das wir den interessanten Artikel auf unserer Webseite veröffentlichen dürfen)