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MDC für vorbildliche Kommunikation zu Tierversuchen ausgezeichnet
Am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) sind im Jahr 2020 insgesamt 35.166 Tiere für die biomedizinische Grundlagenforschung eingesetzt worden. Das sind 9.359 Tiere weniger als 2019. Der weitaus größte Teil der genutzten Tiere auf dem Campus Buch und in Berlin-Mitte waren Mäuse (insgesamt 30.315). Außerdem haben MDC-Wissenschaftler*innen mit Ratten und Fischen erforscht, wie sich menschliche Krankheiten entwickeln. Diese Zahlen hat das MDC jetzt an das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) übermittelt.
Der Rückgang der Zahl der Versuchstiere setzt eine Entwicklung der vergangenen beiden Jahre fort und hat mehrere Gründe. Die Dimension des Rückgangs im Jahr 2020 hat vor allem mit der Corona-Pandemie und den damit verbundenen erschwerten Forschungsbedingungen in der Biomedizin zu tun: Im März 2020 hat das MDC zunächst auf den Basisbetrieb umgestellt, und nur einige wenige Forschungsgruppen konnten wie üblich weiterarbeiten. Bis heute sind alle Beschäftigten im erweiterten Basisbetrieb, in den Laboren und in den Büros muss nach wie vor genügend Abstand gehalten werden. Auch der Tierhaus-Betrieb unterliegt den strengeren Corona-Vorschriften. Deshalb wurden während der Pandemie weniger neue Experimente begonnen.
Neben den üblichen Schwankungen (Beginn bzw. Ende von Experimenten oder Arbeitsgruppen) sind zudem die 3R-Prinzipien (Vermeiden, Verringern, Verbessern) zu nennen, die Wissenschaftler*innen am MDC systematisch befolgen und weiterentwickeln. Ende 2020 hat das MDC sein neues Präklinisches Forschungscentrum (PRC) eröffnet. Dort hat das MDC beste Bedingungen dafür geschaffen, dass wissenschaftlich notwendige Tierversuche so schonend wie möglich durchgeführt und reduziert werden können.
Ohnehin nutzen MDC-Forscherinnen und -Forscher vorwiegend Zell- und Gewebekulturen sowie oft auch Computermodelle und Künstliche Intelligenz. Sie entwickeln neuartige Verfahren, um zum Beispiel mit Organoiden (Mini-Organen in der Petrischale) und anderen Stammzelltechnologien medizinische Probleme zu untersuchen. Nur wenn es keine alternativen Methoden gibt, um zu dem erstrebten Fortschritt zu kommen, darf ein Tierversuch stattfinden. Hierbei müssen die Wissenschaftler*innen möglichst wenig Tiere einsetzen, und sie müssen die Versuche so schonend wie möglich gestalten. Der erwartete wissenschaftliche und medizinische Nutzen jedes Versuchs muss also gegen die Belastung der Versuchstiere abgewogen werden.
Für seine offene und dialogorientierte Kommunikation zum Thema Tierversuche und 3R ist das MDC jetzt mit dem Siegel „Vorbildliche Kommunikation tierexperimenteller Forschung“ ausgezeichnet worden. Die Initiative “Tierversuche verstehen” vergibt dieses Siegel in diesem Jahr erstmals an Forschungseinrichtungen und Wissenschaftsorganisationen, die „sich in vorbildlicher Weise für transparente und offene Kommunikation zum Thema engagieren“. Zur Begründung heißt es von der Initiative: „In vorbildlicher Weise werden auf der Webseite des MDC an zentraler Stelle Informationen zu Versuchstierzahlen, dem 3R-Prinzip oder der Entwicklung und Verwendung alternativer Forschungsmethoden transparent und verständlich dargestellt. Das MDC beteiligt sich an Informationsveranstaltungen für die Politik oder regionalen Events wie etwa der Berlin Science Week. Vorbildlich ist auch die Solidarität unter den Mitarbeitenden.
Neben dem MDC hat die Initiative die Universität Hohenheim (Stuttgart), das Deutsches Primatenzentrum – Leibniz Institut für Primatenforschung (Göttingen), das Rudolf-Zenker-Institut für Experimentelle Chirurgie der Universitätsmedizin Rostock sowie Pro-Test Deutschland e.V. und die Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet.
Das MDC kommuniziert seit Jahren aufgeschlossen und proaktiv. Forscher*innen erklären, warum sie in der biomedizinischen Grundlagenforschung und der angewandten Gesundheitsforschung Tiere einsetzen und warum sie auf Tierversuche noch nicht verzichten können. Auf seiner Webseite und in öffentlichen Diskussionen, bei großen Publikumsevents wie der Langen Nacht der Wissenschaften oder bei Besuchen am MDC suchen die Wissenschaftler*innen den Dialog, beantworten Fragen und stellen sich Kritik. Zuletzt haben sich viele Forschungsgruppenleiter*innen aus allen Bereichen am MDC zu Wort gemeldet und öffentlich erklärt: „Warum wir auf Tierversuche noch nicht verzichten können.“
Thomas Sommer: Kein Impfstoff ohne Tierversuche
„Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung. Sie ist für uns eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Unsere Gesellschaft braucht den offenen Austausch auch über strittige Fragen“, sagt Professor Thomas Sommer, Wissenschaftlicher Vorstand des MDC (komm). „Gerade in der Corona-Pandemie haben wir gesehen, wie wichtig ein gutes Verständnis für wissenschaftliche Prozesse und wissenschaftliches Arbeiten ist. Dazu möchten wir beitragen, auch durch eine ehrliche Tierversuchskommunikation. Denn auch das hat die Corona-Pandemie gezeigt: Ohne Tierversuche gibt es keinen medizinischen Fortschritt! Alle Impfstoffe, die uns vor dem Virus schützen können, basieren auf jahrzehntelanger Grundlagenforschung – mit Tierversuchen.“
Quelle: PM des MDC vom 22. 04. 2021