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Virchow 2.0: Von der Intervention zur Prävention
“Virchow 2.0“, einziger Berliner Finalist der zweiten Wettbewerbsrunde der Clusters4Future-Initiatitive des BMBF, geht in die Konzeptionsphase. Bei einem Kick-Off-Meeting am 27. September 2021 gaben Teilnehmer*innen aus Wissenschaft, Klinik und Wirtschaft einen Vorgeschmack auf die Cluster-Strategie, an der sie arbeiten.
Die Kluft zwischen Grundlagenforschung und klinischen Anwendungen zu überbrücken und zellbasierte Medizin in die Klinik zu bringen – das ist das Ziel des Forschungsnetzwerks „Virchow 2.0 –Innovationscluster für zellbasierte Medizin in Berlin-Brandenburg“. Am 1. Oktober fällt der offizielle Startschuss für die Konzeptionsphase der Initiative, die zu den 15 Finalisten der zweiten Wettbewerbsrunde der Zukunftscluster-Initiative (Clusters4Future) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gehört und der einzige Finalist aus Berlin ist. Kernpartner von „Virchow 2.0“ sind das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), die Charité – Universitätsmedizin Berlin, das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), das Zuse-Institut Berlin (ZIB) und das Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD), ein Berliner Forschungsnetzwerk, das Anwendungen für Big Data und maschinelles Lernen entwickelt.
„Virchow 2.0“ steht für Tradition und Zukunftsvision des Clusters: In den 1850-er Jahren entwickelte Rudolf Virchow die Zellularpathologie, die besagt, dass Krankheiten auf Störungen der Körperzellen und ihrer Funktionen beruhen. Diesen seinerzeit revolutionären Ansatz haben Wissenschaftler*innen konsequent weiterentwickelt: „Wir verfügen jetzt, 160 Jahre nach Virchow, über Technologien, mit denen wir eine zellbasierte Medizin schaffen können“, erläutert Professor Nikolaus Rajewsky. Der Direktor des Berliner Instituts für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des MDC koordiniert die Initiative; Co-Sprecherin ist Professorin Angelika Eggert, Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Zu diesen Technologien zählen bahnbrechende Einzelzell- und Bildgebungsmethoden, die wir mit künstlicher Intelligenz und personalisierten Krankheitsmodellen wie Organoiden kombinieren“, führt Rajewsky aus.
„Rudolf Virchow hätte seine wahre Freude“
„Im Grunde genommen bringen uns diese Methoden ‚back to the roots‘“, sagt Professor Frederick Klauschen, Leiter der Arbeitsgruppe Systempathologie am Institut für Pathologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Direktor des Pathologischen Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität München, Mitglied des Berliner KI-Zentrums BIFOLD und Mit-Koordinator des Forschungsverbundes MSTARS. Das Konsortium hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Massenspektrometrie für die Patientenversorgung weiterzuentwickeln und mit ihrer Hilfe den Ursachen für Therapieresistenzen auf den Grund zu gehen. „Molekulare Untersuchungen an fragmentiertem Gewebe sind eher ein Notbehelf, da uns bislang die Werkzeuge fehlten, um einzelne Zellen zu untersuchen. Ich frage mich, was Virchow dazu gesagt hätte – bei Pathologien ging es immer um einzelne Zellen.“
„Rudolf Virchow hätte heute seine wahre Freude“, ist Nikolaus Rajewsky überzeugt. Denn: „Wir werden in der Lage sein, anhand der ersten zellulären Veränderungen Krankheiten zu diagnostizieren, den möglichen Verlauf einer Erkrankung vorauszusagen und die molekularen Netzwerke von der entstehenden Krankheit zurück auf den Weg eines gesunden Gleichgewichts zu lenken. So können wir neue Ansatzpunkte für Wirkstoffe oder zelluläre Therapien finden.“
“Virchow 2.0” erfolgreich imZukunftscluster-Wettbewerb des BMBF
Mit Virchow in die Zukunft
„Virchow 2.0“ ist unter den 15 Finalisten der zweiten Wettbewerbsrunde der Zukunftscluster-Initiative des BMBF (Clusters4Future). Das vom MDC koordinierte Berliner Netzwerk will ein biomedizinisches KI-Ökosystem schaffen, um die zellbasierte Medizin in die Klinik zu bringen.
„Wenn Zellen falsche Entscheidungen treffen, entstehen Krankheiten.“ Diese Erkenntnis stammt aus Berlin – von Rudolf Virchow, dessen 200. Geburtstag die Stadt in diesem Jahr feiert. Eine Zukunftsvision knüpft an diese große Tradition an und soll sie konsequent weiterentwickeln: „Wir wollen eine zellbasierte Medizin schaffen – und zwar mithilfe der neuesten Technologien. Dazu zählen bahnbrechende Einzelzell- und Bildgebungsmethoden, die wir mit künstlicher Intelligenz und personalisierten Krankheitsmodellen wie Organoiden kombinieren“, sagt Professor Nikolaus Rajewsky. Der Direktor des Berliner Instituts für Medizinische Systembiologie (BIMSB) des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) koordiniert die Initiative. „So wird es möglich, anhand der ersten zellulären Veränderungen Krankheiten zu diagnostizieren, den möglichen Verlauf einer Erkrankung vorauszusagen und die molekularen Netzwerke von der entstehenden Krankheit zurück auf den Weg eines gesunden Gleichgewichts zu lenken. Außerdem können wir so ganz neue Ansatzpunkte für Wirkstoffe oder zelluläre Therapien finden.“
„Die Medizin kann dann sehr früh und gezielt korrigierend eingreifen – mit der jeweils wirksamsten Behandlung. Das würde die Prognose für viele Patientinnen und Patienten erheblich verbessern“, sagt Professorin Angelika Eggert, Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sie stellt in dieser Initiative die Verbindung zwischen Grundlagenforschung und Klinik sicher. „Wir wollen den Krankheitsverlauf unterbrechen, bevor irreparable Schäden auftreten, und auch Therapieresistenzen rechtzeitig erkennen.“
Eine einzigartige Konstellation regionaler Akteure
Berlin bietet beste Voraussetzungen dafür, Diagnostik, die Entwicklung personalisierter Therapien und die Suche nach geeigneten Ansatzpunkten für Wirkstoffe auf völlig neue Füße zu stellen, sie effizienter, schneller und kostengünstiger zu machen: Denn hier gibt es eine deutschlandweit einzigartige Konstellation regionaler Akteure aus der Grundlagenforschung, Klinik und anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung, die in den benötigten Technologie-, Datenwissenschafts- und Medizinfeldern weltweit führend sind.
Die Expert*innen aus Systembiologie, Medizin, Biotechnologie, Physik und Informatik/Künstliche Intelligenz wollen gemeinsam mit lokalen und überregionalen Industriepartnern ein biomedizinisches KI-Ökosystem schaffen, um die zellbasierte Medizin in die Klinik zu bringen. Gleichzeitig soll ein positives Ausgründungsklima und eine Unterstützungsplattform für etablierte Firmen entstehen. Bereits jetzt unterstützen 15 Firmen aus Pharmaindustrie und Biotech-Branche, KI-Start-ups und Investoren die Initiative. Kernpartner für das geplante Zukunftscluster sind das MDC, die Charité, das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), das Zuse-Institut Berlin (ZIB) und das Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD), ein Berliner Forschungsnetzwerk, das Anwendungen für Big Data und maschinelles Lernen entwickelt.
„Jüngste Beispiele des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz zeigen, dass diese neuartigen Ansätze einen bedeutenden Beitrag für die Medizin leisten können“, sagt PD Dr. Tim Conrad, Abteilungsleiter für „Visual and Data-centric Computing“ am Zuse-Institut Berlin und Projektleiter am BIFOLD. „Mit der Entwicklung von spezialisierten Algorithmen und der notwendigen mathematischen Analyse werden wir sicherstellen, dass die entstehenden Methoden und Ergebnisse nachvollziehbar und interpretierbar werden.“
Einen ersten Eindruck des geplanten Clusters können Interessierte und potenzielle Partner bei einem HealthCapital-Webinar am 26. Mai 2021 oder auch beim Kick-Off-Symposium des Single-Cell-Fokusbereichs von BIH und MDC am 20. Mai 2021 bekommen – und sich der Initiative anschließen.
Der „Clusters4Future“-Wettbewerb
Unter dem Dach der Hightech-Strategie 2025 will das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem themenoffenen Wettbewerb „Clusters4Future“ den Wissens- und Technologietransfer stärken. Akteure aus Hochschulen, Forschungsinstituten, Unternehmen und gesellschaftlichen Einrichtungen einer Region sollen optimal zusammenwirken. Die Bundesregierung plant, in den kommenden zehn Jahren insgesamt bis zu 450 Millionen Euro für die Zukunftscluster bereitzustellen.
Für die zweite Runde des Wettbewerbs konnten sich bis Mitte Februar 2021 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihren Vorschlägen aus allen Fachrichtungen wie zum Beispiel Robotik, Energie oder eben Biomedizin für regionale Innovationsnetzwerke – den Zukunftsclustern – bewerben. Eine unabhängige Expertenjury hat nun die besten 15 der 117 Clusterideen für eine Konzeptionsphase empfohlen. Das BMBF fördert diese sechsmonatige Phase mit bis zu 250.000 Euro. Der einzige Finalist aus Berlin: „Virchow 2.0 – Schaffung eines Innovationsclusters zur Umsetzung zellbasierter Medizin in Berlin“.
In der Konzeptionsphase erarbeiten die Beteiligten Clusterstrategien und Projekte der ersten Umsetzungsphase. Mitte 2022 werden nach dem Votum einer unabhängigen Expertenjury bis zu sieben Zukunftscluster der zweiten Wettbewerbsrunde ausgewählt. Diese können bis zu neun Jahre lang ihre Konzepte realisieren. Pro Cluster und Jahr sind bis zu fünf Millionen Euro vorgesehen.
Quelle: PM des MDC vom 18. Mai 2021