Virale Artenvielfalt im Abwasser
Posted by Andreas Wolf
Umfassende Metagenom-Sequenzierungen des Berliner Abwassers über 17 Monate zeigen, dass man so die Ausbreitung von Krankheitserregern überwachen und Ausbrüche vorhersagen kann. Wie das Team um Markus Landthaler in „Environmental International“ schreibt, haben sie zudem Tausende neuer Viren entdeckt.
Dass Gesundheitsbehörden das städtische Abwasser überwachen, um bestimmte Mikroben wie Polioviren oder SARS-CoV-2 aufzuspüren, ist nicht neu. Eine umfassende Surveillance, die zusätzlich auf bislang unentdeckte und somit unbekannte Viren abzielt, ist dagegen in den meisten Orten der Welt nicht die Norm.
Das könnte sich in der Zukunft ändern. Denn Abwasser ist eine wahre Fundgrube für Daten zu Viren in unserer unmittelbaren Umgebung, zeigt eine Studie der Arbeitsgruppe „RNA-Biologie und posttranskriptionale Regulation“ von Professor Markus Landthaler am Max Delbrück Center. Die Wissenschaftler*innen analysierten Proben aus einer Berliner Kläranlage mithilfe der Shotgun-Metagenom-Sequenzierung. Dank dieser Technologie konnten sie alle Viren im Wasser umfassend untersuchen: von der Bestimmung von Virusvarianten bis hin zur Nachverfolgung einzelner Buchstabenänderungen im Erbgut.
Die Verbreitung der Virusvarianten nachvollziehen
Sie fanden dabei zuverlässig alltägliche Viren wie RSV oder Grippe und konnten die saisonale Ausbreitung der Virusvarianten nachvollziehen. Je nach Jahreszeit wiesen sie außerdem typische Besucher im Abwasser nach: Viren, die Spargel infizieren, tauchten im Frühjahr auf, Weintrauben-Viren im Herbst und solche, die es auf Wassermelonen oder die Berliner Mücken abgesehen haben, im Sommer.
Die weit verbreiteten Astroviren, die beim Menschen den Magen-Darm-Trakt befallen, schauten sich die Wissenschaftler*innen genauer an. Sie verglichen, welche Mutationen im viralen Genom im Berliner Abwasser vorkamen und welche anderswo gefunden worden waren. So konnten sie die weltweite Ausbreitung einzelner Stämme nachverfolgen. In angereicherten Proben detektierten und sequenzierten sie außerdem etwa 70 menschliche Pathogene, die seltener zu finden sind. Sie entdeckten Tausende neuartiger Viren und erweiterten so unser Wissen um die virale Artenvielfalt. Doch ihre Analyse machte nicht bei den Viren halt. Die Daten brachten Hunderte Enzyme namens TnpB-Endonukleasen ans Licht, die potenziell in der Biotechnologie nützlich sein können. Das Team veröffentlichte die Studie in „Environment International“.
„Die Überwachung des Abwassers hat meines Erachtens ungeheures Potenzial. Denn Sequenzierungen werden billiger“, sagt Landthaler. „Und mit den Maschinen werden sich auch die Bioinformatik-Werkzeuge verbessern, die wir für die Analyse dieser Daten brauchen.“
Quelle: PM des MDC vom 18. Juli 2024
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